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Vom Scheitern & Identitätskrisen

Grade ist die Zeit, in der viele Dienstleiter*innen auf Instagram ihren Jahresrückblick posten. Darunter auch viele meiner Lektoratskolleg*innen, die auch in diesem Jahr als Lektor*in gestartet sind. Wir sollen uns zwar nicht miteinander vergleichen, aber es ist schwierig es nicht zu tun, wenn dein Feed voller Zahlen und Erfolgen ist.


Aller Anfang ist schwer – oder stell’ ich mich nur an?


Ich komme nicht aus der Buch- und Verlagsbranche, gelernt habe ich "Kauffrau für Bürokommunikation". Erst vor wenigen Jahren habe ich den ersten Schritt in Richtung "irgendwas mit Schreiben und Büchern" machen gewagt und eine Ausbildung zur Schreibpädagogin für kreatives Schreiben gemacht.


Das war keine Entscheidung aus dem Nichts heraus – Bücher und Schreiben war schon immer ein Teil meiner Identität. Aber bis zu diesem Zeitpunkt habe ich für mich keine Möglichkeit gesehen, diesen Teil zum Beruf zu machen.


Mein Lebenslauf ist kunterbunt. Ich habe vieles ausprobiert, mit Mitte 20 noch mal die Schulbank gedrückt, dann studiert, nur um festzustellen, dass das Studium nichts für mich war, wieder gearbeitet, weiter ausprobiert und schließlich das gefunden, von dem ich überzeugt war, dass es die einzig wahre Berufung für mich ist: Lektorin sein. Diesen Weg gehe ich nun schon seit 10 !! Jahren.


Ich habe Geld, Zeit und Arbeit reingesteckt, um die Fähigkeiten zu erlernen, Autor*innen dabei zu helfen ihre Geschichten zu schreiben. Nach fast einem Jahr nebenberuflicher freier Selbstständigkeit hat sich das noch nicht annähernd ausgezahlt. Die meiste Zeit herrscht Funkstille in meinem Postfach. Trotz Sichtbarkeit auf Social Media, trotz Rabattaktionen, trotz Masterclass, in der ich lerne Content zu erstellen, der verkaufen soll, trotz Bedarf auf Seiten der Autor*innen (bei dem letzten Punkt bin ich mir nicht sicher, wie groß der Bedarf aktuell wirklich ist, denn der Buchmarkt für Selfpublisher*innen macht gerade schwere Zeiten durch).


Hätte ich noch mehr machen können? Sicherlich! Aber dann wäre ich komplett ausgebrannt. Ich habe einen Hauptjob, bei dem ich bis Ende Juli 35 h die Woche gearbeitet habe. Im August konnte ich meine Stunden auf 25 h die Woche reduzieren und hatte mehr Zeit für Marketing und für Aufträge. Hinzukommt, dass man nicht nur die Zeit für etwas haben muss, sondern auch die Energie, und die ist irgendwann ausgeschöpft. Sich neben dem Beruf eine Selbstständigkeit aufzubauen, ist nicht einfach. Vielleicht mache ich dazu einen separaten Beitrag, denn das würde den Rahmen von diesem sprengen.


Es ist nicht so, dass ich gar keine Aufträge hatte. Zwar waren es nur wenige, dafür waren es aber richtig tolle Geschichten und richtig tolle Autor*innen (Grüße gehen raus an euch <3). Und ich habe unglaublich tolles Feedback für meine Arbeit bekommen. Aber genau hier liegt das Problem: Ich leiste gute Arbeit und werde dennoch nicht angefragt.


Ich hatte nicht die Erwartung, dass ich sofort einen Kundenstamm aufbaue. Aber dass zumindest ein paar Anfragen in mein Postfach flattern, ob die nun realisiert werden können oder nicht – davon bin ich schon ausgegangen. 


Irgendwann kommt man an einen Punkt, an dem man sich nicht mehr fragt, ob es an der Marketing-Strategie, an den fehlenden Kontakten zur Branche, der Webseite – die vielleicht nicht ausreichend SEO optimiert ist 😵‍💫 – sondern an einem selbst liegt. Und wenn der (vermeintliche?) Traumjob so an die eigene Identität gekettet ist, dann haut das ganz schön rein. Erst mental und dann körperlich, weil Psyche und Körper eben nicht ohne einander funktionieren. 


Dran bleiben und aus Entscheidungen lernen, oder irgendwie so. 


Eine große Hilfe für mich war der Austausch mit Kolleg*innen. Davon habe ich zumindest digital so einige in diesem Jahr kennengelernt. Es hat sich herausgestellt, dass ich nicht die einzige bin, die kämpft. Dass sich auch andere fragen, was und ob sie etwas falsch machen. Menschen zu kennen, mit denen man seine Ängste und Zweifel teilen kann, ist enorm wichtig.


Ein nächster Schritt wird sein, etwas Abstand zu gewinnen. Du kennst das, manchmal sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Gehe ich den richtigen Weg und er ist einfach nur ein bisschen holprig? Muss ich die Richtung wechseln? Bin ich irgendwo falsch abgebogen und war es keine gute Idee, aus dieser Leidenschaft einen Beruf machen zu wollen? Kann ich meine Identität von meinem Beruf trennen? Wie will ich die nächsten Jahre leben? Wie kann ich meine Wünsche und Träume mit meinem Hauptjob und meinem Privatleben vereinen? Das alles sind Fragen, die ich mir stelle und hoffentlich in den kommenden Wochen beantworten kann.


Wie geht es in 2026 weiter? 


Ich bleibe nebenberuflich freie Lektorin. Im Januar darf ich noch ein Stillektorat anfangen, auf das ich mich sehr freue, denn die Geschichte ist richtig toll! Danach fokussiere mich auf kleinere Aufträge, wie Exposéchecks, Leseproben-Lektorate, Coachings und Kurzgeschichten-Lektorate. Denn ich möchte mir Zeit für meine eigene Kreativität und persönlichen Projekte nehmen.


Ich war sehr lange überzeugt davon, dass ich einer dieser Menschen bin, die besser darin sind, andere zu motivieren und ihnen zu helfen, als selbst etwas zu kreieren. In meiner Kindheit war das noch anders, aber das Erwachsenwerden und Erwachsensein haben offensichtlich Spuren hinterlassen. Mein Fokus lag jahrelang darauf, ein Business aufzubauen und meine Hobbys und Ideen für eigene kreative Projekte habe ich immer wieder beiseitegeschoben, weil ich dafür keine Zeit hatte oder eher mir keine Zeit genommen habe.


Vielleicht bist du auch gerade an einem Punkt, an dem die Zweifel so groß sind, dass du kurz davor bist, alles hinzuschmeißen. Tu es nicht! Noch nicht! Ein bisschen Abstand und den Fokus auf andere Dinge zu lenken, kann so viel bewirken. Nimm dir Zeit für dich, beschäftige dich mit den Sachen, die dir so richtig Spaß machen! Lösche Instagram für ein paar Tage oder Wochen und denke nicht an den Algorithmus, Akquise oder Reichweite. ❌  Und lass dich einfach mal treiben. Wer weiß, wo du am Ende landest, vielleicht sogar an einem besseren Ort.


Ich wollte diese Gedanken mit dir teilen, weil ich denke, dass es helfen kann zu wissen, dass man mit seinen Sorgen und Zukunftsängsten nicht alleine ist. 


So, und jetzt wird die Weihnachtszeit genossen!


Wir lesen uns 2026! 


Liebste Grüße

Paulina

 
 
 

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